Das agro-industrielle Datenimaginäre: Big Data und die Mediatisierung der extraktiven Landwirtschaft

Abstract

Wo in professionellen Anwendungsgebieten – und also jenseits der Critical Data Studies - über Big Data gesprochen wird, mündet das regelmäßig im Versprechen einer besseren Zukunft: bessere ärztliche Diagnosen, bessere Verkehrsregelung in Großstädten, bessere Antizipation potenzieller Straftäter und -taten, etc. Auch in agrarischen Diskursen wird die sogenannte "Präzisionslandwirtschaft" als "Revolution" der traditionellen landwirtschaftlichen Massenproduktion angesehen. Wo digitale und datengestützte Technologien zur Überwachung und Steuerung landwirtschaftlicher Produktionsverfahren eingesetzt wird, werdern, so lautet das Versprechen, Big Data die Agrar- und Ernährungsindustrie effizienter, rentabler und damit auch nachhaltiger machen. Ausgehend von David Beers Konzept des "Data Imaginary" (2019) untersucht dieser Artikel Diskurse über Big Data in der Landwirtschaft, wie sie in der Werbung für datenbasierte Agrartechnologischen, in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften von Lobbyisten sowie in Übersichtsartikeln in agrarwissenschaftlichen Fachzeitschriften zu finden sind. Dabei zeige ich auf, dass die Päzisionslandwirtschaft als die nächste technologische Lösung für das ökologisch unhaltbare System der traditionellen industriellen Massenproduktion in Landwirtschaft angesehen wird, während sie in Wirklichkeit die verheerenden ökologischen und sozialen Schäden, die die Agrarindustrie anrichtet, noch vergrößern wird. Der Artikel versteht sich als Beitrag zum wachsenden Feld der Ecomedia Studies, die nicht nur alte und neue Texte mit dem Blick auf Fragen der Nachhaltigkeit lesen, sondern auch ein erweitertes Verständnis von Medien und Daten als Infrastrukturen und als Mediatoren zwischen „Mensch“ und „Umwelt“ voraussetzen.