Abstract
Das deutsche Raumordnungsgesetz sieht es als eine Aufgabe der Raumordnung nachhaltige Daseinsvorsorge zu sichern (§ 2 ROG). Dabei geht es insbesondere um eine Grundversorgung und Erreichbarkeit von öffentlichen Dienstleistungen sowie technischen und sozialen Infrastrukturen. Auch in anderen Ländern gibt es vergleichbare Grundsätze – so wird in den Niederlanden etwa die
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„Goedhart Doktrine“ angewendet, die eine gleichwertige Versorgung mit öffentlichen Einrichtungen und Infrastrukturen vorsieht (Spit und Zoete 2016). In beiden Ländern sind Mindeststandards der Versorgung und Erreichbarkeit nur vage festgelegt (Spannowsky et al. 2010; Spit und Zoete 2016). Es obliegt der Raumplanung im Einzelfall über die Allokation und Distribution von Einrichtungen und Strukturen der Daseinsvorsorge sorgfältig abzuwägen. Die Nähe zu bestimmten Einrichtungen der Daseinsvorsorge, wie etwa zu öffentlichen Dienstleistungen sowie technischen und sozialen Infrastrukturen, kann substantiell Einfluss auf Stadtortentscheidungen und Bodenwerte nehmen. Insofern macht Raumplanung Menschen ärmer oder reicher (Needham 2006, S. 3). Natürlich trifft dies auch auf andere Planungsentscheidungen zu – etwa die Ausweisung bestimmter Baugebiete in der Bauleitplanung oder die Festlegung bestimmter Vorranggebiete in der Raumordnung. Bei Entscheidungen zur Daseinsvorsorge geht es jedoch um öffentliche Investitionen. Solche raumplanerischen Entscheidungen haben im Kern mit Fragen der Gerechtigkeit zu tun (Campbell und Marshall 2002). Es ist dabei zu kurz gegriffen lediglich eine gerechte Allokation und Verteilung von Daseinsvorsorge zu fordern, denn es bestehen unterschiedliche Vorstellungen von Gerechtigkeit (Gerechtigkeitsmaßstäbe). Demnach unterscheiden sich die Allokation und Distribution von öffentlichen Dienstleistungen sowie technischen und sozialen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge je nach Gerechtigkeitsmaßstab. Dieser Beitrag diskutiert, wie Entscheidungen zur Daseinsvorsorge unterschiedliche Gerechtigkeitsmaßstäbe widerspiegeln. Im Folgenden werden die drei wichtigsten Gerechtigkeitsmaßstäben dargestellt. Dabei wird jeweils auf die Bedeutung für die Allokation und Distribution reflektiert. Um die theoretischen Überlegungen mit möglichen Konsequenzen für die räumliche Entwicklung zu verknüpfen, werden räumliche Szenarien entwickelt: Die Bereitstellung von Verkehrsinfrastruktur sichert die Erreichbarkeit weiterer Funktionen. Ausgehend von dieser Grundvoraussetzung zur Sicherung der Daseinsvorsorge wird anhand eines regionalen Fallbeispiels die Erreichbarkeit von Wohnen im öffentlichen Verkehr behandelt. Dem tatsächlichen Ausbau des regionalen Schienennetzes in der Stadtregion Karlsruhe werden idealisierte Szenarien gegenübergestellt, die die Wirkungen einer konsequenten Anwendung der Gerechtigkeitsmaßstäbe für den Ausbau aufzeigen. Hierzu wird zunächst das Fallbeispiel vorgestellt und die Entwicklung der Erreichbarkeit von Wohnstandorten beschrieben. Abschließend werden die sich daraus ergebenden Fragen zur Diskussion gestellt.
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